Die Senkrechte in Form von Linien, Streifen oder Feldern als Stilmittel der abstrakten Kunst hat mich zum ersten Mal bei den monumentalen Farbgemälden von Barnett Newman beeindruckt. Im Besonderen das Acrylbild „Voice of Fire“. Sein kolossales Format von 543 x 243 cm und der symmetrischen Strenge von nur drei Blau-Rot-Blau Streifen macht die Vertikale zu einem ästhetischen und visuellen Ereignis. In seiner extremen Reduktion spürt man Erhabenheit und spirituelle Tiefe gleichermaßen. Ein Werk, das die Form dreier farbiger Felder insofern verlässt, da die Wahrnehmung nicht mehr vorrangig der puren Form gilt, sondern eher einem, im kantischen Sinne transzendenten Kraftfeld dahinter. Ein Phänomen, das in seiner metaphysischen und sinnlichen Ausstrahlung mehr zeigt und preisgibt als seine profane Farboberfläche überhaupt darstellen kann.(siehe Buch Vertikal)
DAS PHÄNOMEN DER SENKRECHTEN – ein vertikal-orthogonales Bildprojekt
Der lateinische Begriff „Axis Mundi“ heißt übersetzt, „die Weltachse“ oder die „Weltsäule“. Sie veranschaulicht in monumentalster Form als übergeordnete und grundlegende mythologische Metapher, die Vertikale oder auch Senkrechte.Sie gilt sowohl als geometrische Grundform wie auch als ein geistiges Objekt in vielen Kulturen unserer Welt. Sie wird in archaischen Weltbildern als die Verbindungslinie zwischen den Zentren von Himmel und Erde beschrieben. In prähistorischen Aufzeichnungen und Darstellungen wird sie oft als Achse, Baum, Säule oder Leiter beschrieben. In ihrer universell archaischen Begrifflichkeit stecken die Idee und das Prinzip von Unendlichkeit, Wachstum, Bewegung oder auch der aufrechte Gang des Menschen. Ihrem Wesen nach ist sie aktiv emporstrebend, aufwärtsgerichtet, wenn man so sagen will, wie ein architektonisches Grundmuster – stehend, fest, stabil und nach oben gerichtet.