ephemeral

POSTED : October.2023

Fotografie ist nicht nur technisch mit dem Faktor Zeit verbunden, sondern auch mit ihren visuellen Resultaten. Ein versäumter Augenblick kann über die Qualität jedes Bildes entscheiden. In meinem speziellen Interesse sind es die kurzlebigen, flüchtigen Dinge unserer Welt. Zum Beispiel Wolken- und Sandbilder, Eisobjekte, Schatten oder Wasserreflexionen. Es sind Erscheinungen, die in knappen Zeiträumen entstehen und sich verändern und im Moment ihres Erkennens meist nur noch eine kurze Zeitperiode in ihrer Gestalt erhalten bleiben, um dann für immer zu verschwinden. So ist Fotografie die einzige Möglichkeit, diese flüchtigen Objekte in ihrer kurzen einzigartigen Existenz zu erfassen, bevor sie sich endgültig im Nichts verlieren.

Ephemere Bilder sind Ikonen und Sinnbilder von Vergänglichkeit. Sie zeigen Transformation und Entstehungsprozess gleichermaßen in der Besonderheit ihrer spezifischen elementaren Materialcharakteristik. So bilden Wasser, Luft, Licht und Erde (Sand) unterschiedliche Erscheinungsformen, wenn sie gegenseitig aufeinandertreffen. Dabei spielen auch ihre diversen Aggregatzustände eine große Rolle. Sie erschaffen in einem temporären Raum wundersame Bildwerke. Das Resultat ihrer Gestaltwerdung steht im Zentrum dieses umfassenden Fotoprojekts.
(siehe Buch ephemeral)

CIRRUS

In dieser großformatigen Schwarz-Weiß Fotoreihe zeige ich weiß transparente Cirrus-Wolkenformationen auf schwarzem Hintergrund. Dabei sehe ich diese schwebenden Objekte als imaginäre Skulpturen. In Wirklichkeit sind sie auch feine schwebende Materialkörper aus Milliarden von winzigen Eiskristallen, die durch die Lichtbrechung in der oberen Troposphäre zu wundersamen Erscheinungen mutieren. Ihre Zartheit, ihre Leichtigkeit und ihre Monumentalität ist Ästhetik pur. Ihr bizarres federartiges Aussehen erhalten diese seidig schimmernden Eiscluster von den starken Windturbulenzen in hoher Sphärenhöhe, die zwischen 8.000 und 12.000 Meter liegen kann.

Contrails

Im Juli 1949 durchpflügte das erste Düsenflugzeug mit einem weißen Schweif den scheinbar grenzenlosen Luftraum. Es war der Anfang an dem der natürliche Wolkenhimmel eine vollkommen neue Wolkenspezies bekam. Künstliche Wolken sogenannte Kondensstreifen konkurrierten von nun an mit den Natürlichen. 70 Jahre später gehören sie zum festen Bestandteil unserer alltäglichen Wolkenbilder. Manchmal schön und witzig anzusehen, doch katastrophal in ihrer Wirkung. Laut einer Studie ist das Aufkommen der künstlichen Wolkenbildung heute so groß, dass sie über Zentraleuropa mehr als zehn Prozent des Himmels bedecken. Dies liefert leider einen erheblichen Beitrag zum Treibhauseffekt, der unter anderem mitverantwortlich ist für unseren dramatischen Klimawandel.

Eisskulpturen

An der Südküste Islands liegt die einzigartige Gletscherlagune Jökulsárlón. Mit einer Fläche von 18 Quadratkilometer und einer Tiefe von fast 250 Metern ist er zugleich der größte See des Landes. Von seinen kiesbedeckten Ufern aus entdeckte ich seine schwimmenden Kunstwerke aus Eis. Unbeachtete Objekte von stiller Schönheit und Eleganz. In ihrer relativ kurzen Lebensdauer verwandeln sie sich vom schiffsgroßen blauen massiven Eisberg bis zur handgroßen grazilen Kleinplastik. Ihr dicht gepresstes Gletschereis gibt ihnen eine wertige gläserne Erscheinung und im ständigen Schmelzvorgang entwickeln sie ein reichhaltiges Formenrepertoire das von abstrakten Körperformen bis zu tierähnlichen Gestaltwesen reicht. Ihre Metamorphose endet dann sanft mit der Auflösung ihres Aggregatzustandes um im dunklen Eiswasser für immer zu verschwinden.

SANDBILDER (Famara Projekt)

Das Famara Projekt ist nach einer Reise durch die Insel Lanzarote realisiert worden. Fasziniert vom Spiel der Meeresbrandung mit schwarzen und weißen Sanden entstanden diese wunderbaren filigranen Strukturbilder. Es sind Gezeitenbilder, die sich durch die Wellenbewegung des Meeres permanent erzeugen. Ihre komplizierte Formenwelt verändert sich von einer Sekunde zur anderen sobald die Wasserströmung den Sandboden des Strandes berührt. Sie lassen den Beobachter staunen, welche Formen lose Materieteilchen annehmen können. Physik wird hier zu einem erlebbaren Schauspiel. Abermillionen winziger Sandkörnchen unterwerfen sich den Kräften des Wassers und formieren sich im Sekundentakt zu großflächigen spektakulären Gebilden.

Schattenwelt

Schatten sind immaterielle Projektionsmuster, die oft seltsam unsere Gegenwart durchkreuzen. Sie werden durch natürliche oder künstliche Lichtquellen erzeugt, die ein beliebiges Objekt auf einer Projektionsfläche als transparente Dunkelfläche abbilden. Ihre Existenz hängt von der Lichtintensität und Leuchtdauer und dem jeweiligen Stand des Objektes zur Projektionsfläche ab. Nur ein Kameraauge kann ihre temporäre Gestalt als zweidimensionale Bildinformation festhalten und auf Dauer konservieren. Schatten sind gewöhnlich kurzlebige Erscheinungen, die von einer bestimmtem Licht- und Standortkonstellation leben. Ihre Formen wirken pauschal, manchmal auch abstrakt, da ihr nichtkörperliches Wesen im Raum nur flächig erlebbar wird. Schatten wirken geheimnisvoll, fast übersinnlich, metaphysisch wie von der normalen Wirklichkeit entrückt. Tatsächlich aber werden sie ausschließlich nur von rein physikalischen Kräften produziert denen absolut nichts Metaphysisches anhaftet. Dennoch verortet man ihr ambivalentes Grundwesen manchmal in einer Welt der Illusion und Poesie.

Wasser Reflexionen

Der Reiz einer Wasserspiegelung gründet auf dem einfachen Prinzip einer geschichteten Spiegelfläche, die mit ständig ineinanderfließenden Bewegungsmustern des Wassers neue Optiken schafft. Solche Flächen sind Vexierbilder und ziehen die Augen und die Sinne unwillkürlich in Ihren Bann. Eine neue Art imaginärer Wirklichkeit wird erschaffen. Nur das Kameraauge kann diese schier endlose Bildproduktionen festhalten und destilliert daraus erstaunliche Bilder. Ihre Inhalte werden durch ein komplexes physikalisches Zusammenspiel mit den Kräften der Natur entwickelt. Eine Hyperrealität lebt auf, die nicht nur unsere Vorstellung erweitert, sondern auch interessante Ebenen der Wirklichkeit offenbart. Die hier gezeigten Fotografien sind abstrakt und assoziativ und weisen mit ihren Strukturen auf konkrete Dinge und Orte hin. Das heißt die Fotografie entnimmt in Echtzeit parallele Schichten unserer Wirklichkeit, die in Sekundenbruchteilen ständig neu entstehen. Schön zu sehen oben bei der Fotoinstallation „Padua Bridge“.